Schulform verzeichnet so viele Anmeldewünsche wie noch nie
Schulleiter wollen Aufwertung
Kreis Lippe (adi). Die Anmeldezahlen an lippischen Gesamtschulen sind in diesem Jahr stark angestiegen. Alle vier Schulen in Lippe mussten viele Kinder ablehnen. Schulleiter forderten deshalb gegenüber der LZ eine Änderung des dreigliedrigen Schulsystems.
An der Geschwister-Scholl- Gesamtschule in Detmold gab es 271 neue Anmeldungen, doch nur 172 Kinder konnten aufgenommen werden. Für mehr Schüler reiche die Lehrerzahl und die Raumkapazität einfach nicht aus, meldet der stellvertretende Schulleiter Fritz Schwensfeger. Einen Grund für den Boom sieht er darin, dass das Abitur auf dem Gymnasium nun in 12 anstatt 13 Jahren zu absolvieren sei, und viele Eltern fürchten, ihr Kind könne damit überfordert sein.
Aber vor allem sähen Eltern die Gesamtschule als ein System an, in dem ihr Kind sich noch entwickeln könne. Viele Kinder mit Empfehlung für die Hauptschule kämen zur Geschwister-Scholl-Gesamtschule, um eine bessere Möglichkeit für einen höheren Schulabschluss zu erlangen.
Denn die Empfehlungsschreiben der Grundschulen für die Wahl der weiterführenden Schule sind ab diesem Jahr für Hauptschule, Realschule und Gymnasium verbindlich. Für die Gesamtschule gilt diese Regelung nicht, und dies biete Raum zur weiteren schulischen Entwicklung. „Aus Erfahrung kann ich sagen, es gibt diese Schüler“, so Schwensfeger. Sein Kollege Dr. Gerfried Stanzel, Leiter der Felix- Fechenbach- Gesamtschule in Leopoldshöhe, geht einen Schritt weiter: Die Empfehlungsschreiben und der möglicherweise folgende Probeunterricht, der zeigen soll, ob das Kind für eine bestimmte Schulform geeignet ist, seien „weltweit einmalig und absoluter Unsinn, dies verunsichert die Eltern“, sagt Stanzel.
Er erklärt den Zulauf auch damit, dass viele Länder, die bei PISA gut abgeschnitten haben, ein Gesamtschulsystem besitzen und sich so etwas bei den Eltern herumspricht. „Im vergangenen Jahr hatten 60 Prozent unserer Abiturienten keine Empfehlung für das Gymnasium, und diese Schülerinnen und Schüler sind genauso erfolgreich wie die anderen“, argumentiert er.
„Landesregierung muss reagieren“
Dr. Gerfried Stanzel
An der Felix-Fechenbach-Gesamtschule wollten sich dieses Jahr 258 Jungen und Mädchen anmelden, doch nur 150 Plätze waren zu vergeben. „Jede Absage ist für mich persönlich unangenehm, denn von ihr hängen oft Schicksale ab“, sagt der Schulleiter.
Die fünfte Klasse der Karla-Raveh-Gesamtschule in Lemgo wollten 440 Kinder besuchen, doch nur 180 Plätze konnten vergeben werden. Die Schule müsse bei ihren Aufnahmekriterien auf ein Losverfahren zurückgreifen, das eine ausgewogene Leistungs- und Geschlechterverteilung garantiert, erklärt die Direktorin Karin Sensenschmidt. Auch die August-Hermann-Francke-Gesamtschule in Detmold kann nicht alle Kinder aufnehmen. Bei 208 Anmeldungen sind nur 180 Plätze in insgesamt sechs neuen Klassen zu vergeben. Dies sei bereits eine Ausnahme, da man im allgemeinen nur fünfzügig fahre, heißt es aus der Schule.
Eine Lösung sehen die Direktoren in erster Linie darin, mehr Gesamtschulen zu errichten. Das Image der Schulform werde positiver. Darauf müsse die Landesregierung reagieren, so Dr. Stanzel. Sie müsse vom dreigliedrigen Schulsystem Abschied nehmen und die Gesamtschulen stärker unterstützen, sekundiert Schwensfeger. Stanzel fordert, eine mindesten neunjährige gemeinsame Schulzeit einzuführen. Sensenschmidt schlägt vor, Zusammenschlüsse zu Verbundschulen von der Gemeinde entscheiden zu lassen und nicht wie zur Zeit von der Bezirksregierung.
NRW-Schulministerin Barbara Sommer sieht das Konzept der Gesamtschule allerdings nicht als Universallösung. Im Durchschnitt sei die Gesamtschule in NRW nicht auf einem Leistungsniveau, dass sie als Modell für andere Schulformen herhalten könne, sagte sie in einer Rede, die auf der Internet-Seite des Ministeriums zu finden ist. Darin zitiert sie den Bildungsforscher Manfred Prenzel, wonach die USA und Italien bei PISA auch nicht gut abgeschnitten haben – trotz Gesamtschulsystem. Es müsste „mehr als ein Hebel umgelegt werden, um das deutsche Schulsystem zu reformieren“.
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