Tanz durch die jugendliche Gemütswelt

Bielefelder Zeitsprung – „Artist in Residence“-Tanzprojekt mit Schülern
VON CHRISTOPH GUDDORF

Bielefeld. Ein jeder von uns tut es tagtäglich, ohne nachhaltig darüber nachzudenken: Gefühle und Gedanken in Mimik und Gestik auszudrücken. Dass emotionaler Ausdruck den ganzen Körper ergreifen kann – diese intensive Erfahrung machten Jugendliche bei einem sechswöchigen Tanzprojekt, das am vergangenen Wochenende aufgeführt wurde.

Choreographin Stéphanie Bouillaud war vom Tanztheater Bielefeld als „Artist in Residence“ engagiert worden, um jungen Menschen die Gelegenheit zu geben, vor Ort in ihren Schulen ein Tanzstück zum Thema Sommernachtstraum zu erarbeiten. 70 Schüler und Schülerinnen der Hauptschule Meierfeld, der Felix-Fechenbach-Gesamtschule, der Laborschule sowie Jugendliche des Projekts „Die Brücke“ in Bielefeld studierten Choreographien in Anlehnung an Gregor Zölligs Uraufführung „Ein Sommernachtstraum“ ein und begaben sich auf die Suche nach eigenständigen „Bildern“ zu den Themen Liebe, Freundschaft und ihren Variationen. Entstanden ist ein gemeinsamer Tanzabend auf der „Bühne“ des Oberstufenkolleg-Hörsaals.

Gesellschaftliche Strukturen, zwischenmenschliche Beziehungen und die Rolle des Individuums fanden sich in tänzerischen Bewegungen und Formationen ebenso wieder wie Akzeptanz, Toleranz oder Reibungsflächen zwischen Andersaltrigen und -artigen.

Berührungsängste auf spielerische wie künstlerische Art auszutanzen, den eigenen Körper und die innere Stimme wahrzunehmen, eine Beziehung zum Mitmenschen, zur Musik und zur Ästhetik des zeitgenössischen Tanzes aufzubauen, war für die Jugendlichen Herausforderung wie auch Chance.

Dass diese Chance genutzt wurde, zeichnete sich eindrucksvoll ab in der Wirkung großer Gruppen-Bilder bis hin zum intimen Liebes-Duett. Eine bildhafte Darstellung von gruppendynamischen Prozessen, der Wechselseitigkeit von Vertrauen und Enttäuschung, Stärke und Schwäche, die immer wieder für überraschende Momente sorgte und in Anbetracht der kurzen Probenzeit verblüffte.

Welch komplexe Bewegungsabläufe die jungen Tänzer und Tänzerinnen dabei mit ihrem eigensten Ausdrucksvermögen in Szene zu setzen vermochten, sprach für sich. Die Musik dazu setzte mit ihrem progressiven wie experimentellen Charakter, mal sanftmütig, mal aggressiv und aufbegehrend, ein weiteres medial-expressives Pendant.

Ein pädagogisches und künstlerisches Gesamtkunstwerk, das die Zuschauer sichtlich berührte und zuletzt von den Sitzen riss. Ein Projekt, das mehr ausgelöst zu haben scheint als nur die Vermittlung zeitgenössischer Tanzkunst!

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„Zeitsprung“ heißt eine Reihe von Tanzprojekten mit Laien, die der Leiter des Bielefelder Tanztheaters, Gregor Zöllig, in der Spielzeit 2006/07 gestartet hat – bis dahin einmalig für ein Stadttheater. „Vier Generationen tanzen vier Jahreszeiten“ war das erste Projekt gewesen, eine Spielzeit weiter folgte „Der Struwwelpeter“.

Am 20. Februar im kommenden Jahr erlebt das nächste dieser Projekte am Bielefelder Stadttheater seine Premiere – Titel: „Erste Symphonie von Johannes Brahms“. Mit dem Zeitsprung-Projekt ist das Theater an die Schule gegangen. Erarbeitet wurde die Choreografie von Stéphanie Bouillard als „Artist in Residence“, die bis zur Spielzeit 2006/07 selbst Mitglied des Bielefelder Tanzensembles gewesen war und als Choreografin international tätig ist. 

Hinweis: Dieser Artikel stammt von unserer alten Webseite. In einigen Fällen kann es zu Darstellungsfehlern kommen.

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