Im Rahmen des fächerübergreifenden Unterrichtsprogramms „Demokratie lernen – Vergangenheit verstehen und Zukunft gestalten“ führten die 10. Klassen einen Unterrichtsgang zum Thema Nationalsozialismus durch.
Das Projekt wird gemeinsam von den Fächern Gesellschaftslehre (NS-Herrschaft und Ideologie, Alltag im Nationalsozialismus, Rolle der Frau, 2. Weltkrieg und Vernichtungskrieg im Osten, Auschwitz, Widerstand) und Religion (Kirche im Nationalsozialismus und Judenverfolgung; Juden und Christen nach Auschwitz; Notwendigkeit des Erinnerns) durchgeführt. Besichtigt wurden der sowjetische Soldatenfriedhof in Stukenbrock, die Ausstellung zum Stammlager (Stalag) 326 Stukenbrock, die Wewelsburg (Kult- und Terrorstätte der SS) sowie die Gedenkstätte des KZ Niederhagen in der Nähe der Burg.
Auf das Thema eingestimmt wurden die Schüler durch einen WDR-Bericht über das Stalag Stukenbrock, in dem mit (fiktiven, aber wahrheitsnahen) Augenzeugenberichten die menschenverachtenden Zustände beschrieben wurden.
An der ersten Station, dem russischen Soldatenfriedhof, sind neben dem von den befreiten Sowjetsoldaten errichteten Mahnmal vor allem die langen Reihen gleichförmiger Grabsteine beeindruckend, deren kyrillisch geschriebene Namen für die meisten Schülerinnen und Schüler nur schwer zu entziffern sind, deren Jahreszahlen aber sehr nachdenklich machen: Die meisten Soldaten wurden nur knapp 20 Jahre alt, sogar ein 17jähriger liegt in den Reihen. Bis heute konnten noch nicht alle Toten identifiziert werden, es wird nach wie vor daran gearbeitet, allen eine würdige Ruhestätte zu geben.
Die Polizeischule in Stukenbrock, in der die Gedenkstätte des Stalag 326 im ehemaligen Arrestgebäude untergebracht ist, vermittelt mit ihren heutigen gleichförmigen flachen Gebäuden fast schon einen bedrückenden Eindruck von „Lager“. Wer dann von Herrn Busch, der durch die Ausstellung führt, hört, dass anfangs 2000 russische Kriegsgefangene im Sommer 1941 auf diesem Gelände eingepfercht worden waren, ohne Schutz vor dem Wetter, ohne irgendwelche hygienischen Einrichtungen, angewiesen auf selbst gegrabene Erdhöhlen, der hat schnell eine Vorstellung von den Möglichkeiten eines unmenschlichen Regimes. Ausstellungsstücke und umfangreiches Material (Texte, Dokumente, Fotos) untermauern diese Eindrücke.
Die Wewelsburg bietet heute mehrere Möglichkeiten des Erinnerns, durch die Herr Nickel und Herr Fromme begleiten. In einem Film kommt ausführlich das ehemalige KZ-Opfer Herr Otto Preuß zu Wort. Sowohl die Verwendung der Burg als SS-Kultstätte als auch das Leben und Sterben im benachbarten KZ Niederhagen sowie schließlich der Umgang mit der Geschichte der Burg nach 1945 werden eindrücklich geschildert. Da die Wewelsburg zum Kriegsende teilweise gesprengt worden war, sind von der eigentlichen SS-Kultstätte nur Überreste im Nordturm (Obergruppenführersaal und Gruft) zu sehen. Diese geben aber einen Eindruck von pompöser, symbolträchtiger Architektur, die mit pseudoreligiösen Effekten (z. B. bei Eheschließungen) das Ansehen der SS untermauerte. In der geschichtlichen Ausstellung im ehemaligen SS-Wachhaus finden sich verschiedene Einrichtungsgegenstände („verziert“ mit SS-Emblemen usw.) und ein Modell des KZ Niederhagen, vor allem aber Dokumente und Berichte über Einzelschicksale der Opfer der damaligen Zeit. Diese Berichte (z. B. über den 15jährigen Günther Ransenberg, der erhängt worden war, nachdem er einen Schneeball auf ein „arisches“ Mädchen geworfen hatte) ermöglichen einen tieferen Blick in die NS-Zeit, als der Schulunterricht in seinem 45-Minuten-Takt zu geben vermag.
Abschließend bietet sich ein Weg zu der Fläche an, die vom KZ Niederhagen übrig geblieben ist, wo von etwa 3900 Inhaftierten ungefähr 1290 an Krankheiten und Entkräftung („Vernichtung durch Arbeit“) starben. In der Wohnraumknappheit der 50er Jahre und (vor allem?) im damaligen Verdrängungsbedürfnis sind die Spuren des KZ weitgehend getilgt worden. Das ehemalige Torhaus des KZ ist als jetziges Wohnhaus nur durch genaues Hinschauen wiederzuerkennen. Die ehemalige Lagerstraße und der Appellplatz liegen noch frei, drei Viertel der ursprünglichen Fläche sind aber bebaut, und von den ehemaligen Holzbaracken ist keine mehr übrig. Erst in den letzten Jahren entstand auf dem ehemaligen Appellplatz ein Mahnmal in Form des dreieckigen Winkels, den alle Häftlinge in verschiedenen Farben auf der Kleidung tragen mussten. Die jährlichen Gedenkfeiern zur Befreiung des KZ finden zunehmend die Anteilnahme der Bevölkerung.
Es bleiben viele beklemmende Eindrücke nach diesen Besichtigungen. Schnelle, unbedachte Äußerungen mancher Schüler/innen erfordern künftig mehr Nachdenklichkeit, im Wissen um das, was unter Menschen möglich war und was sich auf keinen Fall wiederholen darf. In diesem Sinne wird den Schüler/innen hoffentlich deutlich, dass Toleranz sowie der Schutz und die aktive Gestaltung der Demokratie unsere einzige Chance für eine lebenswerte Zukunft sind. Aus diesem Grund wird dieser Unterrichtsgang regelmäßig jeweils mit der 10. Jahrgangsstufe durchgeführt.
BÖK und DAB
www.wewelsburg.de (dort Wewelsburg 1933-1945 folgen)
www.ns-gedenkstaetten.de/nrw/ (dort Wewelsburg wählen)
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