„Gute Noten werden nicht verschenkt“
Schülersprecherinnen der Gesamtschule Leopoldshöhe greifen politische Diskussion im Landtag auf
Leopoldshöhe (kem). Gesamtschüler bekommen ihr Abitur quasi geschenkt? Keineswegs, sagen die Schülersprecherinnen der Felix-Fechenbach-Gesamtschule, Merle Terwey und Ivana Sapina. Entschlossen reagieren sie auf Äußerungen der FDP-Abgeordneten Ingrid Pieper-von Heiden im Landtag.
Artikel aus der LZ
vom 17.04.2008
Engagiert: Merle Terwey (links) und Ivana Sapina vertreten die Interessen ihrer Mitschüler und wehren sich gegen Äußerungen von Ingrid Pieper-von Heiden im Landtag, die sich gegen die Gesamtschule richten.
Zeitungsberichte hatten die Schülersprecherinnen aufmerksam werden lassen. Sie besorgten sich die Sitzungsprotokolle und lasen nach, was tatsächlich im Landtag gesagt worden war. Demnach will NRW-Schulministerin Barbara Sommer eine zu hohe Abbrecherquote in der Oberstufe der Gesamtschulen ermittelt haben. In diesen Schulen liege sie bei rund 40 Prozent, bei Gymnasien hingegen nur bei knapp 20. In der Debatte hatte die bildungspolitische Sprecherin der FDP, Ingrid Pieper-von Heiden, diese Quote damit begründet, dass Gesamtschulen ihre Oberstufen nur aufrecht erhielten, indem die Schüler „auf dem Weg zum Abitur künstlich begabt werden.“ „Damit unterstellt sie, die Gesamtschüler bekämen gute Noten geschenkt, um in die Oberstufe zu kommen. Das ist keineswegs der Fall“, sagt Merle Terwey.
Bei der Durchsicht des Plenarprotokolls stellten sie fest, dass Pieper-von Heiden sogar die Gesamtschule in Leopoldshöhe explizit genannt und sich auf ein LZ-Interview mit Schulleiter Uwe Scheele bezogen hatte. Er hatte erklärt, dass weniger als zehn Prozent der Fünftklässler mit Gymnasialempfehlung zur Gesamtschule kommen, 30 Prozent der Schüler aber zum Abitur geführt werden. „Donnerwetter, wie erfolgreich die sind!“, kommentierte die FDP-Frau dies im Landtag. Sie behauptet anschließend, dass viele Schüler „in die Oberstufe von Gesamtschulen geschoben“ würden, „um sie bereits nach der elften Klasse wieder zu verlassen.“ Damit habe man den Jugendlichen „ein Jahr ihres Lebens, ihrer Ausbildungsmöglichkeit geklaut.“
Diese Behauptung finden die Elftklässler Terwey und Sapina unglaublich. „Dass rund ein Drittel Abitur macht, ist doch ein Beweis, wie erfolgreich hier gearbeitet wird“, betonen die Schülersprecherinnen. Sie sind empört, dass positive Zahlen noch gegen die Gesamtschule verwendet werden.
Ivana Sapina selbst hatte nur eine Hauptschulempfehlung, als sie zur Gesamtschule kam und jetzt ist sie unter den Besten des Jahrgangs.
Dass mehr Oberstufenschüler abbrechen, müsse man auch hinterfragen, meinen sie. Viele gingen vor dem Abitur, mit der Fachhochschulreife nach der zwölften Klasse, durchaus zielstrebig von der Schule. „Es gibt viele Wege in Beruf und Studium und das Abitur ist nicht die einzige Krönung der Schullaufbahn“, verdeutlicht Merle Terwey. Bestes Beispiel ist eine ehemalige Schülersprecherin der Gesamtschule, die im elften Schuljahr Stipendiatin des deutsch-amerikanischen Austausches des Bundestags war. Sie begann nach der zwölften Klasse eine Ausbildung als Fotografin. „Laut Frau Sommer ist sie eine Abbrecherin, so ein Quatsch!“
Beim ersten Zentralabitur hatten die Gesamtschüler fast so gut abgeschnitten, wie die Gymnasiasten. Ingrid Pieper-von Heiden erklärte dazu, dass „die Gesamtschulen das über die Vornoten geregelt“ hätten. Auch dagegen verwahren sich die Schülersprecherinnen. Gerade das Zentralabi habe bewiesen, dass hier vergleichbar gute Leistungen gelingen und „wie ideal unsere Schulform ist“.
Ich finde es mal wieder bezeichnend, wie abfällig sich Politiker über ein im europäischen Vergleich anerkanntes Schulsystem äußern, weil es ihnen nicht in ihren politischen „Plan“ passt und damit nicht sein kann, obwohl es gut ist! Und das alles auf Kosten unserer Kinder und den zukünftigen Generationen!
M.Cadenbach-Franzisket
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