zur Tagesexkursion nach Weimar am 20.04.2023
„Die Geisterwelt ist nicht verschlossen;
Dein Sinn ist zu, dein Herz ist tot!
Auf, bade, Schüler, unverdrossen
Die ird’sche Brust im Morgenrot!“
Goethe, Faust I
„Das Universum hört immer zu“ sagt Frau Ghosal.
Dieser Tag (20. April 2023) hat für die beiden LK‘s Deutsch früher angefangen als normal: Um 7:00 Uhr sollen sich alle am Buskreisel der Schule treffen, was auch gut funktionierte (42/48, grüner Haken). Nach einigem Navigieren und dank Herrn Cakmaks „Dolmetscherkünsten“ gelangen wir staulos unaufgeregt auf die Bahn ins „richtige“ Weimar, bei grauverhangenem Himmel und erheblicher Regenwahrscheinlichkeit, also wird es schön: Das Universum hört zu …
In der mit 64.000 Einwohnern immer noch recht beschaulichen Weltkulturerbe-Stadt und Kreisstadt Thüringens scheint tatsächlich die Sonne und alle sind etwas aufgeregt…
Vom Bushaltepunt benötigen wir gefühlte 7 Minuten bis zum ersten Stopp an der berühmten Goethe-Schiller-Statue vor dem Weimarer Nationaltheater, sehenswert, aber geschlossen. Eine sympathische Weimeranerin macht die obligaten Gruppenfotos für die Nachwelt vor dem bekannten Denkmal. „Nun nehmt doch mal die Hände aus den Hosentaschen!“, ruft uns ein wohlmeinender Passant zu, alles recht freundlich, herzlich.
Wenn man durch die Stadt geht, kommt man aus dem Staunen gar nicht mehr heraus: Alles scheint so friedlich. Außerdem ist Weimar in einem älterem Stil gebaut, was die Stadt sehr schön aussehen lässt. (Leonie)
Wie Tilo (so ähnlich) treffend bemerkt, unterscheiden sich die rosa-orangen Häuser Weimars farblich und ästhetisch von schwarz-weiß-grauen Alltag lippischer Musterhäuser. Ein kleiner Vorgeschmack auf den Gardasee und Italien neben den zahlreichen Eisdielen! Lotti in Weimar…
Die Gruppe von Frau Ghosal zerstreut sich zur Mittagspause und eigenem Programm im Park an der Ilm (mit vor Ort zu haltenden Referaten, hoffentlich nicht so lang!), wir dürfen sofort zu Schiller. Von dem befürchteten Andrang keine Rede, wir bleiben die einzige Gruppe, dem Universum sei Dank! Der humorige Sekretär, der uns sonst vielleicht wegen Belästigung des Herrn Friedrich Schiller unsanft auf die Esplanade hinauskomplementiert hätte, sitzt jetzt gerade mit dem Kutscher über den Abrechnungen. Ein Blick in die Küche zu den eifrig rumorenden Mägden und der beleibten Köchin, hmm, was gibt’s denn heute? Unsere Mittagpause war kurz.
Die Führung im Wohnhaus der Familie Schiller, das seit 1988 mit einem modernen Schillermuseum verbunden ist, indem wechselnde Kunstausstellungen gezeigt werden, ist informativ; die Dame von der Stiftung Klassik geht auch auf einzelne Schüler ein, so dass es sehr interessant ist, originale Gegenstände oder auch Bilder von Schiller zu begutachten und die dazugehörige Geschichte zu hören. Es ist ein surreales Gefühl, Gegenstände zu sehen, die Schiller benutzt hat. Es kommt einen vor wie ein kleiner Schatz, besonders durch die dauerhafte Security: Berühren verboten, Fotografieren erlaubt. (Leonie, Sina)
Steigen wir jetzt die Treppen zur Belle Etage hinauf, andächtig, scheu, etwas geniert, sich in fremdes Privatleben einzumischen, gleichzeitig aber froh, dem eisigen Wind kurzfristig entronnen zu sein durch die Wärme des Ofens dann zeugen zahlreiche Kastensofas und grüne Papiertapete von Schillers eher modischem Geschmack (oder doch dem seiner Frau?). Eindrücklicher wird uns heute viel mehr der private als der öffentliche Schiller dargeboten, der reifere Mann von ca. 45 Jahren, dessen Gemälde im Wohnzimmer der Familie sich von der antikisierenden Jünglingsbüste erheblich unterscheidet.
Im letzten Raum residiert Charlotte, Dame des Hauses, die inmitten ihrer vielfältigen Beschäftigung angeblich noch Zeit zum Sticken von Monogrammen findet, wir sehen und hören (mit etwas Fantasie) Schillers vier Kinder, das Jüngste erst neun Monate, und in den Trubel der anderen, die hinter der Tapetentür nicht schlafen können, die toben, streiten, leise weinen, dringen nun gedämpfte Gitarrenklänge; der Vater, er singt jetzt, Charlotte stopft die Strümpfe und Schürzen. Ich sehe Schiller heute so zum ersten Mal, als Familienvater, Ehemann, Mensch, unstilisiert, glücklich.
Drei Jahre vor seinem Tod kann er sich endlich ein solches Haus an der feinen Esplanade leisten. Hier promeniert die Herzogin Anna Amalia sonntäglich mit ihrem Gefolge, die alten Bäume zeigen den Abstand auf, die Häuserfront der Jahrhundertwende war damals dem Blick zu Goethe hinüber durch die roten Vorhänge mit Volant noch nicht im Wege. Oben im Schlaf-/Arbeitszimmer, in dem Schiller am 09.05.1805 gestorben ist, steht der originale Schreibtisch, so wird der Eindruck intensiver. Katharina, Leonie und viele andere sind sichtlich ergriffen, hätten gerne mal die „Dom Karlos“-Ausgabe angesehen, sind das alles Originale?
Vom Bett zum Schreibtisch, vom Schreibtisch zum Sofa, zum Bett. Schiller ist krank, als er 1802 das Haus erwirbt, er stirbt in Raten über viele Jahre, lässt sich nicht unterkriegen, das bezeugen seine Werke und Briefe bis zum letzten Tag.
An Goethe,
Weimar, 27. März 1805
Lassen Sie mich doch hören, wie es Ihnen in diesen Tagen ergangen ist. Ich habe mich mit ganzem Ernst endlich an meine Arbeit angeklammert und denke nun nicht mehr so leicht zerstreut zu werden. Es hat schwer gehalten, nach so langen Pausen und unglücklichen Zwischenfällen, wieder Posto zu fassen, und ich musst mir Gewalt antun. Jetzt aber bin ich im Zuge.
Der kalte Nordostwind wird auch Ihnen, fürchte ich, wie mir die Erholung erschweren, doch habe ich mich diesmal noch leidlicher befunden, als sonst bei gleichem Barometerstand mit mir der Fall ist.
(…)
Leben Sie wohl, ich sehne mich nach einer Zeile von Ihnen. S.
Fotostrecke einfügen: Schillers Schreibtisch, seine Bücher, Goethes Wohnhaus etc.
Die vielberühmten Freunde – ein ideales Pendant finden sie erst spät in einander, miteinander, denn er, Goethe, – und nur er – ist die Nummer 1 am Platz und genau da werden wir uns auch um 16.30h wiedersehen, am Frauenplan, vor dem schönen Portal, neben dem Hof mit den imposanten Reisekutschen.
Die Pause – in kleinen Cafés mit sehr freundlichem Personal – ist schnell überbrückt, das gastronomische Angebot Weimars vielfältig, nur ist es leider viel zu kalt für ein Picknick an der Ilm, sehr schade, findet nicht nur die Gruppe von Frau Ghosal. Der Nordostwind fegt heute wie vor rund 220 Jahren durch die Straßen, treibt die Menschen in die Häuser, auch unsere Schüler, vor allem zu Anna Amalia, denn – o Wunder – diese fantastische Bibliothek aus dem 17. Jahrhundert mit 13.000 Bänden der Faustsammlung ist nun doch geöffnet, zufällig auch gerade nicht abgebrannt, und die Glücklichen, die ohne online-Buchung den Rokokosaal auf Puschen betreten dürfen, staunen nicht schlecht angesichts der weißgoldenen Pracht und den sagenhaften Bücherschätzen:
Als wir Freizeit hatten, ist unsere Gruppe (u. a. Finja, Sven, Yannik) zuerst in die Herzogin Anna-Amalia-Bibliothek gegangen. Dort haben wir uns in aller Ruhe die dort ausgestellten Bücher und die Statuen angeschaut. Beeindruckt hat mich vor allem die sehr große Ausstellung in der Anna Amalia-Bibliothek. Die große Anzahl an ausgestellten Büchern in der Bibliothek hat meine Erwartungen und Vorstellungen bei weitem übertroffen. (Yannick)
Nach der Pause waren wir im Goethe-Wohnhaus, in dem man die Führung selbstständig mit einer Fernbedienung steuern konnte. Es gab eine Karte mit Bildern und dazugehörige Zahlen. Gab man die Zahl in den Audio Guide, so spielte eine kleine Erzählung ab, in der etwas zu diesem Raum erzählt wurde. Ich habe es sehr genossen und aufmerksam zugehört. Diese Art von Führung hat mir besser gefallen, da die Räume nicht so voll waren und man genug Zeit hatte sich frei und selbstständig im Raum bewegen zu können. (Leonie)
Andere folgen lieber dem Grundsatz lippischer Sparsamkeit und machen weitere Wege ohne Eintritt: zum Marktplatz, zur Herderkirche, zum Schloss, zuletzt zu Goethes Gartenhäuschen im Park, das er nur widerstrebend gegen das barocke Vorzeigedomizil eines herzoglichen Ministers und Nationaldichters eingetauscht hat, mit Junozimmer und Majolikasammlung. Goethe versteht es, zu präsentieren, Christianes Garten aber gewinnt das Herz der Besucher. Ich frage Eunicy, ob es ihr gefallen habe, sie nickt, strahlt, besonders der Garten.
(Fotostrecke fortgesetzt: Goethes Haus, Gartenansicht, weitere Weimar-Fotos)
Goethe und Christiane? Christiane und Goethe! Am Frauenplan herrscht die „kleine Frau“, die Vulpius, die Verachtete, die Gemobbte. Weimar, das Kaff. Weimar, die bäuerliche thüringische Residenz, schaut auf die einfache Fabrikarbeiterin aus Bertuchs Blumenfabrik herab, die „Deutschlands größter Dichter“ 1806 unter der napoleonischen Besetzung der Stadt zu seiner Frau nimmt. Ihn stört das Gerede nicht – quod licet Iovi… Aber auch der Adelsstand hilft Christiane nichts; Worte können sehr verletzen, vor allem die der gekränkten Charlotte von Stein im Haus an der Ackerwand, das Frau Ghosal mit ihrem Kurs auf Goethes Spuren passiert. Gab es damals schon so ein Rosa? (Sina). Ja, denke ich, aber nur außen; im Innern des von Steinschen Anwesens nahe Schloss und Park, an der Grenze der kleinen Residenz des Herzogtums, mag es eher steif und höfisch zugegangen sein. Die gehobene Gesellschaft lässt Christiane ein Leben lang büßen, was Schillers Frau vielleicht im Stillen ertragen hat: Auf- und Abstieg der bürgerlichen Gesellschaft.
Umwege sind Steine, touristisch und mental nützlich. Walid legt sie uns – als Goethe-Zitat – gleich beim Eintritt in die Weimar-Wunderwelt für Klassiktouristen und anderes quer in den Weg. Man könne aus ihnen etwas Schönes bauen, sagt Goethe, meint Walid. Weshalb waren wir nicht noch im Haus der Weimarer Republik, obwohl demnächst Thema? Wie konnten wir die dunkle Geschichte Weimars außer Acht lassen und uns nicht auch nach Buchenwald begeben, das wir auf der Rückfahrt von Ferne erblicken… Langsam dringt die Kälte durch, was nur wenige von einem zweiten Eis abschreckt, ich drängele mit Blick auf die Stolpersteine der Autobahn; im Bus wird es leise und als wir gegen ca. 21.00h in Leopoldshöhe eintreffen, bemerkt Viviane (so meine ich) zutreffend, dass wir eigentlich einen Tag Mehrarbeit „abrechnen“ dürften. Nützt nichts, also bis morgen früh: Carpe diem – carpe noctem!
Stimmen
Der Ausflug nach Weimar mit den beiden Deutsch LKs hat mir insgesamt sehr gefallen, da ich dort neue Sachen vor allem über das Leben von Schiller erfahren habe. Zudem war es erstaunlich zu sehen, wie Schiller gelebt hatte. Durch die zum Teil original verwendeten Möbel im Schiller Haus, wirkte es auf mich sehr authentisch.
Beeindruckt hat mich vor allem die sehr große Ausstellung in der Anna Amalia-Bibliothek. Die große Anzahl an ausgestellten Büchern in der Bibliothek hat meine Erwartungen und Vorstellungen bei weitem übertroffen.
Unpraktisch war in meinen Augen nur, dass man vor Ort nicht genug Zeit hatte, um alle Sehenswürdigkeiten genau anzuschauen. Der Aufwand von insgesamt ungefähr 9 Stunden war dafür sehr groß. Leider konnte man es nicht dahingehend organisieren, dass wir in Weimar auch übernachten und am anschließenden Tag wieder zurückreisen konnten. (Yannick)
Dieser Ausflug war für mich einer der schönsten, weil ich die Stadt auch einfach sehr toll fand. Wie schon erwähnt, fand ich es sehr atemberaubend, etwas über die originalen Gegenstände der Schriftsteller zu hören und wie sie damals lebten. Es war besser als ich mir sogar vorgestellt hatte. (Leonie)
Der Bericht wurde erstellt vom LK Deutsch (Kwa) unter Beteiligung von Julia, Sina, Leonie, Yannick (Texte), Merle, Walid (Fotos).
Hier noch ein weiterer Bericht:
Weimar-Bericht 2023
Von: Julia Pohl
Am 20.04.2023 waren die Deutsch-LKs des 12.Jahrgangs von Frau Kwapich und Frau Ghosal einen ganzen Tag in Weimar. Um ca. sieben Uhr startete die Busfahrt in Leopoldshöhe, um kurz nach Elf kamen wir in Weimar an. Wir hatten als Kurse die Möglichkeit, uns das Goethe- und das Schillerhaus von innen anzusehen. Ebenfalls gab es das Angebot, die Herzogin Anna-Amalia-Bibliothek zu besichtigen und einiges andere, unter anderem Goethes Gartenhaus. Insgesamt hatten wir nach der Führung noch über vier Stunden in Weimar, um uns selbst einen eigenen Eindruck zu verschaffen, bevor wir gegen Fünf zurückmussten und schließlich so gegen halb Zehn wieder in Leopoldshöhe waren. Definitiv eine Empfehlung, dort einmal persönlich gewesen zu sein. Nicht nur wegen Goethe und Schiller, sondern auch – wegen des nahe Weimar gelegenen ehemaligen Konzentrationslagers Buchenwald – vor dem Hintergrund des 2. Weltkriegs.